Corona und Sucht

Corona-Pandemie –
Auswirkungen auf die Suchtkrankenhilfe- und -behandlung

Aktueller Sachstand zu den Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Bereich der Suchtkrankenhilfe und Behandlung

Angesichts der Corona Pandemie hatten sich die Ereignisse ab März 2020 überschlagen. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft, Betriebe und Unternehmen, das Gesundheitssystem, Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte*innen, die Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen und jeden Einzelnen sind erheblich.

Auch das Suchthilfe- und -behandlungssystem ist davon massiv betroffen und die Sorge um die Aufrechterhaltung der Existenz der Angebote war mit Ausbreitung der Pandemie sehr groß, zumal es zunächst noch keine gesetzlichen Rettungsschirme gab, die Räumung von stationären Rehabilitationseinrichtungen per Erlassen von verschiedenen Ministerien der Länder angeordnet wurde und von den RV-Leistungsträgern die dringende Empfehlung ausgesprochen wurde, keine Patienten*innen außerhalb des AHB Verfahrens (Anschlussheilbehandlung) – und damit des Nahtlosverfahrens im Bereich der Suchtrehabilitation (Aufnahme aus dem qualifizierten Entzug in die Suchtrehabilitation) – mit entsprechender Fristsetzung mehr aufzunehmen. Derzeit hat sich die Gesamtsituation zwar etwas beruhigt, die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden uns aber noch langfristig beschäftigen.

Es wurden vom Bundestag wichtige Gesetzesvorhaben beschlossen, die generell einen Schutzschirm für Rehabilitationseinrichtungen und soziale Dienstleister bieten. Dazu gehört das Krankenhausentlastungsgesetz, das vom Bundesministerium für Gesundheit erarbeitet wurde. Diese sieht für Ausfälle im GKV Bereich (d.h. Rehabilitationspatient*innen im SGB V Bereich) Ausgleichszahlungen in Höhe von 60% (Vergleich zur durchschnittlichen Belegung von GKV Anteil in 2019) für stationäre Rehabilitationseinrichtungen vor.

Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurde ein Sozialschutzpaket entwickelt, bei dem der Artikel 10 für soziale Dienstleister für Rehabilitationseinrichtungen, aber auch weitere soziale Dienstleister von besonderer Relevanz ist. Die mögliche Kompensation beträgt maximal 75% des Gesamtbudgets einer Einrichtung in 2019. Es sollen auch Möglichkeiten zur weiteren Nachsteuerung der Rettungsschirme im Gesundheitsbereich bestehen. (Näheres dazu s. II.)

Mittlerweile ist es zudem gelungen, unter Verweis darauf, dass es sich bei der stationären Suchtrehabilitation um unverzichtbare Versorgungsstrukturen für die besonders gefährdete Zielgruppe suchtkranker Menschen handelt, verschiedene „Planken“ einzuziehen:

  • Es sind in den Bundesländern Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Schaffung von zusätzlichen Kapazitäten für akutstationäre Patient*innen im Rehabilitationsbereich für Einrichtungen für die Behandlung psychisch Kranker und Suchtkranker (incl. Suchtrehabilitation) geschaffen worden.
  • Die Deutsche Rentenversicherung und die gesetzlichen Krankenkassen empfehlen mittlerweile, dass Patient*innen generell weiterhin in die stationäre Suchtrehabilitation aufgenommen werden können unter Beachtung entsprechender Schutzmaßnahmen. Hinsichtlich der (ganztägig) ambulanten Suchtrehabilitation und Nachsorge sind Sonderregelungen in Kraft getreten, die auch die Fortführung entsprechender Angebote über regelmäßige telefonische Kontakte und die Nutzung digitaler Kontaktmöglichkeiten ermöglichen.
  • Die Bundesdrogenbeauftragte hat in verschiedenen Schreiben an Leistungsträger und politisch Verantwortliche auf die Notwendigkeit hingewiesen, entsprechende Angebote der Suchthilfe und -behandlung aufrecht zu erhalten.
  • Der gemeinsame Appell der Fachgesellschaften der medizinisch Verantwortlichen im Bereich der Suchtrehabilitation, d.h. des Deutschen Bundesverbandes der Chefärztinnen und Chefärzte der Fachkliniken für Suchtkranke und der Deutschen Suchtmedizinischen Gesellschaft (DSMG) e.V. sowie weiterer Fachgesellschaften und der Suchtverbände in Deutschland befürwortete ebenfalls die Weiterführung der Suchtrehabilitation und dass der Weg in die Suchtrehabilitation offen gehalten wird. Zudem wird auf die Notwendigkeit weiterer Angebote der Suchtkrankenhilfe (s. 2.) auch unter der aktuellen Corona-Pandemie verwiesen.

Wichtig ist, dass neben den Möglichkeiten zur ambulanten Suchtrehabilitation und Nachsorge sowie der stationären Suchtrehabilitation auch die Angebote a) der Entzugsbehandlung von psychiatrischen Kliniken und spezifischen Abteilungen von Krankenhäusern sowie b) der regionalen Suchtberatung und niedrigschwelliger Hilfen sowie c) der Substitution nach Möglichkeit aufrechterhalten bleiben, da es sich hierbei ebenfalls um unverzichtbare Versorgungsstrukturen für die besonders gefährdete Zielgruppe suchtkranker Menschen handelt. Hierzu wurden entsprechende Appelle der Suchtverbände herausgegeben:

Ein gemeinsames Schreiben der Suchtverbände „Entgiftungen weiter durchführen!“ wurde über die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. versendet. Darin wird hervorgehoben, dass auch angesichts der Corona Pandemie es sehr wichtig ist, dass für suchtkranke Menschen weiterhin ermöglicht wird, Entzugsbehandlungen in Anspruch zu nehmen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass bei weitergeführtem Konsum damit zu rechnen ist, dass das Infektionsrisiko der betroffenen Menschen deutlich erhöht ist. Das Angebot einer medizinisch betreuten Entzugsbehandlung in psychiatrischen Kliniken und Krankenhäusern muss aufrechterhalten und allen Hilfesuchenden angeboten werden, so das Fazit. Aktuell läuft eine Erhebung der Suchtverbände, um sich ein detailliertes Bild hinsichtlich der Angebote der Entzugsbehandlung machen zu können.

Zum Thema Suchtberatung und niedrigschwellige Hilfen wurde ein weiteres Schreiben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. „Suchthilfe rettet Leben – in Krisenzeiten notwendiger denn je“ verfasst. Insbesondere die niedrigschwellige Suchtberatung stellt eine zentrale Anlaufstelle für suchtkranke Menschen und ihre Angehörigen in der Region dar. Dieses Angebot der kommunalen Grundversorgung Suchtkranker – wie auch weitere niedrigschwellige Angebote – muss nach Möglichkeit weiter aufrecht erhalten bleiben. Dazu benötigen diese Stellen selbstverständlich auch entsprechende Schutzmaterialien.

 

Nachfolgend sind in chronologischer Reihenfolge verschiedene Stellungnahmen und Empfehlungen aufgeführt, die einen Einblick in die bisherigen Aktivitäten geben und zur aktuellen Situation beigetragen haben:

Corona-Pandemie: Rettungsschirme für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen – aktuelle Gesetzgebungsverfahren

Am 25.03.2020 wurden durch den Bundestag zwei für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen wichtige Gesetze verabschiedet. Beide Gesetze regeln subsidiäre Ausgleichsansprüche für leerstehende Betten/Plätze, die sofort gezahlt werden, aber ggf. nach der Krise zum Teil zurückerstattet werden müssen.

Das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz regelt zum einen in § 22 KHG neu die Inanspruchnahme von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mit Versorgungsvertrag nach §§ 111 SGB V, 15 SGB VI i.V.m. § 38 SGB IX und § 34 SGB VII für die akutstationäre Krankenhausversorgung nach § 39 SGB V.

Es wird ein neuer § 111d SGB V eingeführt. Danach werden ab dem 16.03.2020 die leerstehenden GKV-Betten der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mit Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V im Vergleich zur jahresdurchschnittlichen Belegung 2019 mit 60% des durchschnittlichen Vergütungssatzes der Einrichtung mit Krankenkassen nach § 111 Abs. 5 SGB V pro stationärem Bett vergütet. Die Anzahl der leerstehenden Betten ist wöchentlich zu melden. GKV-Spitzenverband und die Verbände der Leistungserbringer haben das Nähere zum Verfahren in einer Vereinbarung geregelt. Näheres zum Bereich der GKV (inklusive Rehabilitation) finden Sie hier. Die Ausgleichszahlungen erfolgen auf Landesebene durch die zuständigen Ministerien oder eine von dieser beauftragten Krankenkasse.

Ergänzend zum Krankenhausentlastungsgesetz wird noch eine SARS-CoV-2-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung im April folgen, in der z.B. auch die zahnärztliche Versorgung, die Heilmittelversorgung und die Mutter-/Vater-Kind-Leistungen unter den Schutzschirm gestellt werden. Leider ist nicht vorgesehen auch ambulante Rehabilitations- und Nachsorgeleistungen ebenfalls hierunter zu fassen.

Des Weiteren werden stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für die Kurzzeitpflege bis 30.09.2020 herangezogen. In § 149 SGB XI neu wird geregelt, dass ein Anspruch auf Kurzzeitpflege in stationären Vorsorge- und Rehaeinrichtungen besteht, auch ohne, dass gleichzeitig eine Maßnahme für eine Pflegeperson erbracht wird (§ 40 Abs. 2 und 3 SGB V). Die Vergütung richtet sich nach dem durchschnittlichen Vergütungssatz gemäß § 111 Abs. 5 SGB V der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung. Hier sind Mutter-Vater-Kind-Einrichtungen einbezogen

Das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) regelt die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen für Einrichtungen und soziale Dienste zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Krise.